Am 15. Mai 2022 stimmt die Stimmbevölkerung über die Beteiligung der Schweiz am Ausbau von Frontex, der europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache ab. Um die Sicherheit und die Reisefreiheit ohne Kontrollen im Schengen-Raum zu gewährleisten, arbeiten die Schengen-Staaten eng zusammen. Für die Nordwestschweiz als Grenzregion ist diese Zusammenarbeit eminent wichtig.
Inhalt der Verordnung
Die Schweiz beteiligt sich seit 2011 an Frontex, das seit 2019 von der EU finanziell und personell ausgebaut wird. Bundesrat, Kantone und Parlament wollen, dass sich die Schweiz an diesem Ausbau beteiligt. Es liegt im Interesse der Kantone und der Schweiz, sich bei den Kontrollen der Aussengrenzen und der Bewältigung der Migrationsbewegungen mitzuwirken und damit die Reisefreiheit im Schengen-Raum zu gewährleisten. Mit dem Ausbau von Frontex werden die Kontrollen an den Aussengrenzen verbessert und die Sicherheit erhöht.
Gegen den Beschluss des Parlamentes vom 1. Oktober 2021, die Frontex-Verordnung als Weiterentwicklung von Schengen/Dublin zu übernehmen und damit auch den schweizerischen Beitrag an die Europäische Grenz- und Küstenwache (Frontex) zu erhöhen, wurde von verschiedenen Organisationen das Referendum ergriffen.
Möglicher Wegfall des Schengen-Abkommens
Bei einer Ablehnung der Übernahme der EU-Verordnung endet die Zusammenarbeit mit den Schengen- und Dublin-Staaten automatisch, es sei denn, der Gemischte Ausschuss (EU Kommission, alle Mitgliedstaaten und die Schweiz) beschliesst innerhalb von 90 Tagen einstimmig die Zusammenarbeit fortzusetzen. Dieses Entgegenkommen kann zwar nicht restlos ausgeschlossen, aber keinesfalls erwartet werden: Wird innert Frist keine gemeinsame Lösung gefunden, wird das Abkommen nach Ablauf von weiteren drei Monaten automatisch beendet.
Auswirkungen für die Region Nordwestschweiz
Das Risiko einer Beendigung des Schengen-Abkommen ist real und würde die Nordwestschweiz besonders betreffen, denn mehr als ein Viertel der insgesamt 2,2 Millionen Schweizer Grenzübertritte pro Tag erfolgen in der Nordwestschweiz. Die grenzüberschreitende Reisefreiheit und Mobilität würden massiv eingeschränkt. Entsprechend käme es zu grossen Verkehrsproblemen, da die Grenzbehörden wieder Personenkontrollen durchführen müssten. In Grenzregionen ist die Personenfreizügigkeit im gelebten Alltag nur mit Schengen gewährleistet.
Durch den Wegfall des Schengen-Abkommens würde auch die Justiz- und Polizeizusammenarbeit geschwächt. Im Bereich der inneren Sicherheit würde dies zu einer substanziellen Lücke führen, da die Schweiz keinen Zugang mehr zu den Daten des Fahndungssystems SIS, der Visumdatenbank VIS und der Fingerabdruckdatenbank Eurodac hätte. Damit einher gingen erhebliche negative Auswirkungen auf die operative polizeiliche Tätigkeit. Tritt die Schweiz aus dem Schengen-Raum aus, geht automatisch auch die Dublin-Mitgliedschaft verloren. Damit dürfte die Zahl der Asylgesuche in der Schweiz markant ansteigen.
Position der Nordwestschweizer Regierungskonferenz
Die Bedenken des Referendumskomitees in Bezug auf die bekannt gewordenen Fälle von Zurückweisungen (sogenannte "pushbacks") von Migranten durch Aussengrenzbeamte nehmen die EU und die Schweiz sehr ernst. Sie haben daher die erforderlichen Untersuchungen und Gegenmassnahmen ergriffen, um künftig weitere Vorfälle dieser Art zu unterbinden. Vom Bund wird erwartet, dass er sich weiterhin für die ausnahmslose Einhaltung der Grundrechte bei allen Einsätzen von Frontex einsetzt.
Nordwestschweizer Regierungskonferenz
Die NWRK unterstützt die vom Parlament beschlossene Übernahme der Frontex-Verordnung als Weiterentwicklung von Schengen/Dublin und den damit verbundenen solidarischen Beitrag der Schweiz an der Stärkung der Europäischen Grenz- und Küstenwache (Frontex). Die NWRK empfiehlt somit in der Volksabstimmung vom 15. Mai 2022 ein Ja zur Übernahme der EU-Verordnung über die Europäische Grenz- und Küstenwache (Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands).